Können Nachschulungen und Therapie nach einer Trunkenheitsfahrt vor der Entziehung der Fahrerlaubnis retten?

Ein Autofahrer wurde mit einem Alkoholwert am Steuer erwischt, der über der absoluten Fahruntauglichkeit (1,1 Promille) lag. Dies stellt eine strafbare Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB dar. Damit lag auch ein Regelfall des § 69 StGB vor, wonach bei einer Trunkenheitsfahrt in der Regel von der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen und die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Diese sog. gesetzliche Regelvermutung ist jedoch widerlegbar. Der Autofahrer absolvierte nach der Tat insgesamt 18 Stunden verkehrspsychologische Beratung, eine etwa 100-stündige Therapie sowie die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar. Er war der Auffassung, er habe damit bewiesen, dass er nicht (mehr) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Die I. Instanz und auch die II. Instanz in der Berufung nahmen diese Maßnahmen jedoch lediglich zur Kenntnis und entzogen dem Autofahrer dennoch die Fahrerlaubnis. Nun musste das BayObLG (Az.: 204 StRR 167/21) in der Revision klären, inwieweit diese therapeutischen Maßnahmen die Entziehung der Fahrerlaubnis verhindern können. Das BayObLG hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung an eine andere Kammer zurück. Das BayObLG hatte in seiner Entscheidung ausgeführt, dass ein Gericht in seinen Urteilsgründen erkennen lassen muss, dass es die Möglichkeit einer Ausnahme ernsthaft in Betracht gezogen und alle dafür sprechenden Argumente sorgfältig abgewogen hat. Genau das hatten die Vorinstanzen jedoch versäumt. Sie hatten zwar die Teilnahme des Mannes an therapeutischen Maßnahmen zur Kenntnis genommen, sich aber nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, was diese konkret für seine Eignung zum Zeitpunkt des Urteils bedeuteten. Das BayObLG betonte, dass die bloße Teilnahme an einem Kurs zwar nicht automatisch die Fahreignung wiederherstellt. Ein Gericht kann die Entziehung der Fahrerlaubnis aber nicht mit dem pauschalen Hinweis begründen, dass solche Maßnahmen generell nicht ausreichen. Die Vorinstanz hätte detailliert feststellen und im Urteil begründen müssen, welchen Inhalt die Kurse hatten, wie der individuelle Erfolg aussah und welche konkreten Auswirkungen sich auf die Persönlichkeit und das Verhalten des Angeklagten zeigten. Erst auf Basis dieser Fakten kann es eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob die Regelvermutung der Ungeeignetheit widerlegt ist oder eben nicht. Unabhängig von dieser Entscheidung kann unter Umständen jedoch zumindest eine Verkürzung der Sperrfrist erreicht werden und zwar von vorn herein oder sogar noch nachträglich. Das kommt jedoch auf den Einzelfall und auch den Promillewert an, der der Tat zugrundelag.

Norman Sgumin

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Strafrecht

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