Die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation

Oft hört man, dass das Strafgericht doch ohnehin nicht verurteilen könne, weil Aussage gegen Aussage stehe. Doch stimmt das? So pauschal jedenfalls nicht. Was ist überhaupt eine sog. Aussage-gegen-Aussage-Konstellation? Eine solche liegt klassischerweise u.a. dann vor, wenn sich der Verdacht gegen einen vermeintlichen Täter nur auf die Aussage eines einzigen Zeugen stützt, der vermeintliche Täter selbst einen anderen Hergang des Sachverhalts schildert oder schweigt und es keine anderen objektiven Beweise gibt (z.B. DNA-Spuren, Fingerabdrücke, Dokumente etc. p.p.).  In den meisten Fällen ist dabei das vermeintliche Opfer der Zeuge. In solchen Konstellationen wird dann von juristischen Laien oft die Ansicht vertreten, dass es hier doch im Zweifel für den Angeklagten einen Freispruch geben müsse. Allerdings ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ (lat. für „im Zweifel für den Angeklagten“) in einer solchen Konstellation rein tatsächlich nur sehr selten oder genau genommen gar nicht anwendbar. Die ureigenste Aufgabe des Tatgerichts ist es nämlich, die einzelnen Aussagen ausgiebig zu würdigen und sich dann zu entscheiden, welcher Aussage es glauben schenkt. Dabei stellt der Bundesgerichtshof in solchen Konstellationen an den Tatrichter hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung und die Urteilsbegründung. Letztere muss dann erkennen lassen, dass das Gericht alle Umstände, welche die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des vermeintlichen Täters zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat. Stuft das Gericht dann nach eingehender Beweiswürdigung die Aussage des Zeugen als glaubhaft ein, dann hat dies die Verurteilung des (dann nicht mehr vermeintlichen) Täters zur Folge. Wer also mit einem strafrechtlichen Vorwurf konfrontiert wird, der allein auf der Aussage eines Zeugen basiert, der sollte sich nicht auf der Annahme ausruhen, dass ihm ja nichts passieren könne, nur weil Aussage gegen Aussage steht. Gerade in solchen Konstellationen ist es umso mehr angezeigt, umgehend einen auf Strafrecht spezialisierten Rechtanwalt zu kontaktieren und sich beraten und/oder verteidigen zu lassen.

Norman Sgumin

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Strafrecht

Hilbert Kampf Sgumin Rechtsanwälte Partnerschaft